1887 – 1906
Der Puls des Lebens ist der
Nachmittag,
Wann sich die Sonnenlichter
seltsam färben
Und wir betäubt in gelber Glut
ersterben
Im schweren Gold, dem unser
Herz erlag.
Ein spätes Flimmern ruht auf
Laub und Hag,
Die langsam uns verzehren und
verderben.
Und wie ein edler Wein aus
dunklen Scherben
Rinnt unser Blut, das nichts
mehr hemmen mag.
O laß den Schlummer nicht die
Lider schließen,
Daß nicht der trunknen Klarheit
stummes Fließen
Dein Herz durchdringt, das
fremde Wunder schaut!
Die Strahlen brennen und ihr
Gift ist tödlich:
O harre aus, bis dämmerhaft und
rötlich
Der Abend auf die blassen Bäume
taut.
1887 – 1906
Die Reiher schweben
langgestreckten Flugs
Mit abgemeßnen, sanften
Flügelschlägen
Dem Lande der metallnen Seen
entgegen ...
Geruhig in dem Wehn des weiten
Zugs.
Mir ahnt das Gaukeln neuen,
holden Trugs,
So lächelt mir der nahe
Sommerregen,
Ein grauer Äther wölbt sich
meinen Wegen,
Die längst das Gras vergitternd
überwuchs.
So schaue ich der
Silberschwingen Spiel
Durch das Gewebe von Gebüsch
und Ästen,
Das schlankgezweigt den stummen
Park verschließt.
Wie sie sich nahen
ferngefühltem Ziel
Und mir entschwinden, ehe noch
im Westen
Des Abends blasses Gelb das
Land umfließt.
1887 – 1906
Wie tief der Duft der Ähren
alles tränkt!
Das dunkelnde Gefilde überweht
er.
die Luft erfüllt, durch Herz
und Sinne geht er,
Nun sich der Sommerabend näher
senkt.
Still ist die Seele, die an
dich nur denkt,
Denn alles Leid bringt früher
oder später
Mein Herz zurück dem unbewußten
Äther,
Der meine Sehnsucht zu dir,
Fernen, lenkt.
Von kaltem Selbstbeschaun
verzehrt im Leben,
Empfand mein Herz, das stumm
und liebeleer,
Ein dämmerhaftes, heimliches
Bestreben.
Da kamst du lächelnd deines
Weges her
Und gabst ein Glück, das keine
mir gegeben...
Seitdem vergesse ich dich
nimmermehr.
1887 – 1906
Und alles ist unsagbar kalt und
schön:
Des müdgeweihten Tages blasse
Gluten,
Der Mittagsglanz metallner
Meeresfluten,
Das junge Grün der
frühlingszarten Höhn.
Die freudge Furcht, das leise
Schmerzgestöhn,
Das stumme, glühende Begehren
ruhten.
Die Seele hört in purpurnem
Verbluten
Durch tiefe Dämmerung ein mild
Getön.
Es ist des Flusses
mondbeglänztes Fließen,
Die Müdigkeit nach liebendem
Genießen,
Ein kühles Licht im
starrkristallnen Sinn. –
Mir ist, als tage eine bleiche
Frühe,
Wo seltsam eine neue Welt
erblühe ...
Ich fühle kaum, daß ich
gestorben bin.
1887 – 1906
Overschie
Amsterdam
Haarlem
Sind es die Straßen, sind es
die Alleen,
Ists der Azur, in herbstlich
Grau getaucht,
Der diese Kühle in die Seele
haucht,
Die fremd, und der so schwer zu
widerstehen?
O diese Häuser, an entschlafnen
Seen,
Voll fernem Stolz, der keine
Worte braucht –
Hier, wo kein Schlag der Arbeit
sprüht und raucht,
Wo leise Schauer stummer Kälte
wehen.
Es ist der Herzen
eigentlichstes Sehnen,
In diesem Leben trüben
Ungefährs
Die Zier verschwiegner
vornehmheit zu wähnen...
Doch in dem Ruhm, fahl wie der
Streif des Meers,
Ein mächtger Strom, uns
schmelzend bis zu Tränen:
Die Größe Rembrands und die
Glut Vermeers!
Unendlich dehnt das Meer sein
graues Reich,
Verschwimmend in dem Dunst der
fahlen Weiten.
Die Lüfte schweigen, und die
Wasser gleiten
Nur sacht empor an Sandgestad
und Deich.
Der späte Regentag ward trüb
und bleich
Und will in nahe Finsternis
entschreiten,
Wo sich die riesenhaften Dünen
breiten,
An uferloser Schwermut allzu
reich.
Indessen ist die dunkle See
gestiegen,
Der glatten Steine schmaler
Wall versinkt
In ihrer Wellen trauervollem
Wiegen.
Und von dem Strande, der die
Salzflut trinkt,
Sieht glühen Schein man durch
die Lüfte fliegen,
Vom Leuchtturm her, der rot
durchs Dämmern blinkt.
1887 – 1906
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